Zugegeben, diese falsche Übersetzung ist reißerisch formuliert. Ausgehend vom
angekündigten Ende
des
Kernels 5.4
will ich hier mal ein paar Gedanken zum Thema zusammentragen.
"Long Term Support"
gibt es sowohl bei Distributionen (
curius
,
fosstopia
) als auch bei ausgewählten Kernel-Versionen. Aber was heißt das bzw. welche Konsequenzen hat dies? Diese "Langezeitstabilität" führt u.a. auch dazu, dass neue Technologien, neue Treiber, etc. erst mit großer Verzögerung beim Endanwender ankommen. Wer in den Shop seines Vertrauens stapft oder klickt und beispielsweise einen neuen Drucker kauft, wird mit großer Wahrscheinlichkeit an dessen Einrichtung scheitern. Wer - wie ich - nicht nur aus ökologischen Gründen möglichst immer gebrauchte Geräte kauft, hat große Chancen, dass die Hardwareerkennung glatt durch läuft.
Darüber hinausgehend sind aber auch weitere Details zu beachten: Kommunkationsstandards, Protokolle, APIs und die Hardwareunterstützung entwickeln sich weiter bzw.
veralten
. Welchen Wert hätte es bzw. in welchem Verhältnis stünden Aufwand und Nutzen demnach, beispielsweise eine Distribution oder einen Kernel 12 Jahre lang durchzufixen? Und wer soll das leisten? Aus dieser Überlegung heraus wurde vor runf 2 Jahren entschieden, die LTS-Kernel zukünftig kürzer zu unterstützen (
fosstopia
,
heise
), was sich inzwischen auch
praktisch zeigt
.
Auch zu betrachten sind die Desktopoberflächen. Wer mal versucht hat, beispielsweise Gnome zu aktualisieren, dem wird dies wowöglich
um die Ohren geflogen sein
. (Dazu häufen sich die Berichte!)
Hinzu kommt die Frage, wer bei LTS konkret für die Pflege zuständig ist: das Kernel-LTS-Team bzw. der Paketautor oder der Distributor? Auch wenn dieser Text alt ist, so zeigt er doch,
dass "LTS" in der Praxis nicht immer wirklich funktioniert
.
Zu beachten ist auch, dass bei Ubuntu und Debian wohl nur der Paketzweig "main" wirklich gut gepflegt ist. Wer mit diesem alleine gut zurecht kommt, kann damit glücklich werden. Benötigt man die anderen Zweige ("contrib", "non-free" bzw. "universe" bei Ubuntu, etc.) z.B. für einen proprietären WLAN- oder Grafikkartentreiber, dann kann das mit dem LTS-Anspruch schon schwierig werden.
Der Gedanke LTS-Kernel nur noch zwei Jahre lang zu pflegen korreliert aber auch mit dem Veröffentlichungszyklus von Ubuntu LTS und Debian, was ein weiteres Argument ist. So wurde kürzlich der Kernel 6.18 LTS veröffentlicht, der vermutlich die Basis für die anstehende Ubuntu 26.04 LTS wird (
fosstopia
,
heise
).
Hinzu kommt, dass die heutigen
neuen Paketformate
die Situation nicht gerade vereinfacht haben und die Frage der Zuständigkeit auf eine neue Ebene stellen. Meine These ist ja die, dass hiermit die distributionseigenen Paketbetreuer weggespart werden sollen - also eine Art des gerade populären "digitalen Bürokratieabbaus", von dem ich herzlich wenig halte. Damit einhergegend ist das Konzept der
Unveränderlichen Distributionen
in der Praxis zunächst
ein (unhaltbares) Versprechen
.
Zusammen mit meinem "Lieblingsfeind" SystemD zeigen sich hier also die Grenzen auf, durch neue Konzepte (die ich nicht grundlegend ablehne) in der Linuxwelt "mal eben Alles auf Links drehen" zu wollen. Themenübergreifend betrachtet zeigt sich beispielsweise am Beispiel der langsam vorankommenden
Umstellung von X11 auf Wayland
wie umsichtig man vorgehen muss, wenn man "mal eben" alles umkrempeln will, weil das "alles alter Kram" ist.
Dies sollte bei der Betrachtung und Beurteilung des Konzepts "LTS" im Hinterkopf behalten werden!