Hallo KaaLUGs,
ebenso wie Du, KlaRen, bin auch ich über Dr. Tux Hinweis gestolpert, dass in der GPL eine Zivilklausel „fehlt“. Das Thema wird derzeit in diversen Foren kontrovers diskutiert. Unter anderem macht sich aktuell ein Thorsten Schröder vom CCC, dem Chaos Computer Club, für eine solche Klausel bzw. sogar gleich mehrere Ausschlussklauseln stark.
Also kurz die Antwort auf Deine Frage:
Eine Zivilklausel in der GPL stellt eine Auschlussklausel dar, mit der die Entwickler der jeweiligen Software in der von ihnen gewählten Softwarelizenz verbieten wollen, dass ihre Softwareentwicklung für militärische Zwecke genutzt wird.
Die wohl gängigsten derzeit in der Diskussion befindlichen Ausschlussklauseln lauten:
CC-NM = Non Military
CC-NI = Non Intelligence
CC-CR = Consense Required
CC-Nx = z. B. Healthcare, Nuclear Plants, Automotive
Nach Ansicht von Thorsten Schröder sollen Open-Source-Entwickler mit der von ihnen in die Lizenz aufgenommenen Klauseln den Missbrauch ihrer Software verhindern können. Verboten ist eine solche Verwendung der Software, eben z. B. für die von Dr. Tux angesprochenen militärischen Zwecke, nach momentaner GPL nicht. Dr. Tux verweist zutreffend in seinem Blog in Mutbürgerdokus darauf, dass der Distributor Red Hat u. a. für das amerikanische Militär arbeitet. Amerikanische Kriegsschiffe neuester Bauart haben bekanntlich entsprechend modifizierte Linux-Betriebssysteme u. a. für Navigation und Waffensysteme.
Die Forderung nach einer Zivilklausel (und anderen Verbots- und Ausschlussklauseln) wird von anderen Gruppierungen abgelehnt. Hier die Position der Free Software Foundation:
Die meisten freien Lizenzen - allen voran die GNU General Public License, kurz GPL - sehen die uneingeschränkte Nutzung freier Software durch Dritte vor. Dieses Recht gehört zu den vier Freiheiten, die GPL-Initiator Richard Stallman bereits 1985 formulierte. Sobald eine Software in Umlauf gebracht worden ist, muss sich jeder an dem Quellcode bedienen und ihn selbst modifizieren und weiterverwenden können. Genau das ist der von Richard Stallman beabsichtigte Nutzen der GPL. Software soll unter den sogenannten "Vier Freiheiten" stehen: Sie soll von jedem begutachtet, verwendet, weitergegeben und eben nach den eigenen Bedürfnissen angepasst werden können.
Für die unter Euch, die damals beim Vortrag des Düsseldorfer Ablegers der Free Software Foundation beim KaaLUG-Treffen dabei waren:
Der Inhalt des Vortrages zielte klar darauf ab, dass mit den 1985 erstmals genannten vier Freiheiten auch wirklich
uneingeschränkte Freiheit gemeint ist. Keinem Kriminellen, keinem Forscher und keinem Militär, keinem Diktator oder überhaupt irgendeinem Missetäter kann danach der Einsatz freier Software verboten werden.
Thorsten Schröder hält die GPL für unzeitgemäß. Die rigiden Vorgaben der Lizenz schränkten die Freiheiten der Entwickler beim Einschränken von Freiheiten ein. Entwickler müssten bestimmen können, unter welchen Umständen ihre Software nicht eingesetzt werden dürfe, etwa in Spionagesoftware oder zu auch militärischen Zwecken, bei denen Menschen zu Schaden kommen könnten.
Dem Ansinnen von Thorsten Schröder steht laut Stallman der Wortlaut der GPL entgegen, der als „Freiheit Null“ bezeichnet wird. Die uneingeschränkte Weitergabe von Open-Source-Software wird in Abschnitt 6 der Lizenz definiert:
"Jedesmal, wenn Sie das Programm (oder ein auf dem Programm basierendes Werk) weitergeben, erhält der Empfänger automatisch vom ursprünglichen Lizenzgeber die Lizenz, das Programm entsprechend den hier festgelegten Bestimmungen zu vervielfältigen, zu verbreiten und zu verändern.
Sie dürfen keine weiteren Einschränkungen der Durchsetzung der hierin zugestandenen Rechte des Empfängers vornehmen."
Dieser Wortlaut der Lizenz ist die Basis der so genannten Freiheit Null, "die Freiheit, das Programm auszuführen wie man möchte, für jeden Zweck."
In den Diskussionen über Veränderungen der GPL verteidigte Stallman diese Freiheit Nummer 0 stets mit einem Beispiel: Nur weil Stifte und Schreibmaschinen für üble Taten verwendet werden, könne man sie nicht verbieten. Und er wäre sehr unglücklich darüber, wenn seine Freunde beim Militär in Venezuela neue Versionen einer Software nicht auf ihre Server installieren dürften, was dieses (bekanntlich militärisch eher schwache Land mit immensen Erdölvorkommen) möglicherweise vor einer militärischen Invasion schützen würde.
Das sieht Thorsten Schröder dann wieder anders. Er will den Entwicklern die Verantwortung für ihre Software und deren Einsatz überlassen oder genauer:
Er will den Entwicklern die Möglichkeit geben, durch Ausschlussklauseln einen Einsatz ihrer Software zu verhindern, wenn dieser
ihrem ethischen Standpunkt widerspricht.
Schröders Vorschlag ist, er will eine
Sammlung von Ausschlussklauseln erstellen, die ähnlich den Creative-Commons-Lizenzen ganz gezielt Einsatzzwecke ausschließen. Er nennt als Beispiel eine Non-Military-Usage-Klausel. Software dürfe dann weder für militärische Zwecke eingesetzt werden, noch als Grundlage für militärische Forschung dienen.
Da hätten wir also nochmals den Begriff der Zivilklausel etwas präziser und auch so etwas wie eine grobe Definition derselben.
Ich habe längere Zeit darüber nachgedacht, wie ich selbst zum Thema stehe und es mir nicht einfach gemacht, zu einem Ergebnis zu gelangen. Irgendwann bin ich dann doch zu einer eigenen Meinung gekommen, die ich hier gerne zur Diskussion stellen will:
Schränken Entwickler ihre Software aus ethischen, wirtschaftlichen, religiösen oder sonstigen Erwägungen mit Ausschlussklauseln ein, verliert die Software ihre Eigenschaft als freie Software!
Dann kann man sich die GPL auch gleich sparen. Ich halte deshalb die Ansätze von Thorsten Schröder für rechtlich bedenklich, nicht durchsetzbar und, was die Open-Source-Gemeinde betrifft, für sehr sehr schädlich. Niemand kann ernsthaft daherkommen und sagen, ich veröffentliche Software unter einer freien Lizenz, aber unter Freiheit verstehe ich selbst dieses oder jenes …… - und wer die von mit entwickelte Software für einen der Zwecke verwenden möchte, die ich missbillige, dann schließe ich dies kategorisch aus!
Wenn Schröder auch noch vorschlägt, gleich eine Sammlung von Ausschlussklauseln zu entwickeln, dann wäre mit den vier oben genannten Klauseln ja auch noch lange nicht Schluss. Das bedeutet, Open Source (die es ja faktisch schon gar nicht mehr wäre) würde völlig zerfasern und man müsste jedesmal prüfen, welche Software man überhaupt noch verwenden darf, ohne sich zu den Forderungen des Entwicklers in Widerspruch zu setzen. Das wäre die babylonische Sprachverwirrung in Version 4.0. Niemand wüsste mehr, was er eigentlich noch an vormals freier Software verwenden oder weiterentwickeln darf. Auch wäre die Frage der Fortschreibung der Lizenzen bei mehrfacher Weiterentwicklung einer Software oder bei aus Paketen und Quellcode zusammengesetzten Entwicklungen völlig ungeklärt.
Neben den vier oben genannten Beispielen könnte ich mir zahllose weitere mehr oder weniger sinnbringende Einschränkungen der GPL vorstellen:
- nur für nichtreligiöse Zwecke (Atheistenklausel)
- nicht für Tierversuche
- nicht für diktatorische Systeme (Red Star OS heißt die Linux-Distribution aus der Demokratischen Volksrepublik Korea)
- nicht für Gentechnik
- nicht für Sklaverei, nicht zur Ausbeutung von Arbeitnehmern
- nicht für polizeiliche Zwecke (dann hätten u. a. die Franzosen bereits Probleme)
- nicht für die Automobilbranche
- nicht für Reichsbürger
- nicht für Rechtsradikale
- nicht für Linksradikale
- nicht für Putin
- usw. usw.
Ihr merkt an den Beispielen, wie weit sich die Einschränkungen auffächern lassen würden. Mein klares Statement deshalb:
Lasst freie Software auch weiterhin freie und uneingeschränkte Software sein.
Mit den angedachten Ausschlussklauseln würde Querulanten, Eigenbrödlern, Verschwörungstheoretikern, politischen Narren und allerlei Wirrköpfen Tür und Tor geöffnet. Praktikabel sind solche Klauseln nicht. Sinn machen sie auch deshalb nicht, weil spätestens international die Durchsetzbarkeit der einzelnen Ausschlüsse scheitern würde.
An dieser Stelle möchte ich erstmal die Ausführungen und mein Statement abschließen. Bin nämlich gespannt darauf, wie ihr zu dem derzeit häufig diskutierten Thema steht. Freue mich auf Eure Antworten.
Bis denne
helmutturner