Bei aller Sympathie für den Kuketz-Blog: "Unterstützen" ist nicht "machen". Eine (auf den ersten Blick) zweifelsfrei tolle Aktion. ABER: Der nicht minder geschätzte Gerrit, der immer wieder ein paar wohlgepflegte Narrative der Linux-/OpenSource-Gemeinde zerlegt, hat auch hier mal wieder
"konstruktiv gesägt"
.
Das Problem sitzt also viel tiefer: Der Versuch, sich von Trump & Musk unabhängig zu machen ist ungefähr so aufwendig, wie sich unabhängig von Putin's Öl, Gas und Uran zu machen! "Einfach Linux" zu installieren ist zwar ehrenwert, löst aber dieses Problem NICHT! Welchen Dienst benutzt ihr, der NICHT amerikanisch ist? Auch eure Bankkarten sind nicht "deutsch". Selbst wenn ihr eine schnöde WP-Seite aufruft, sitzt da AWS im Hintergrund!
Vor ein paar Monaten gab es großes Geschrei, weil Linus Torvalds höchstpersönlich einige
russische Entwickler rausgeworfen
hat. Dass er vor dem historischen Hintergrund des
sowjetisch-finnischen Krieges
darauf empfindlich reagiert, ist sicher nachvollziehbar und wirft trotzdem einige demokratietheoretische Fragen auf.
Nach dieser Logik müsste die "demokratische" Softwaregemeinschaft jetzt "alle" amerikanischen EntwicklerInnen rauswerfen, was wohl völlig unrealistisch ist - selbst wenn beispielsweise ein wohl nennenswerter Teil der Debian-Entwicklung in Deutschland bzw. Europa stattfindet. Aber: Noch immer leisten die amerikanische Firma Redhat und ... tätä: Microsoft einen Großteil der Linux-/Kernel-Entwicklung!
Ich erinnere in dem Kontext an China und dessen zu erwartende nächste globale Erschütterung, aufgrund seines
schwelenden Konflikts mit Taiwan
.
Ihr alle habt Mobiltelefone in der Tasche mit chinesischen Komponenten - selbst wenn ihr ein "niederländisches" Fairphone einsetzt. Und wenn ihr die chinesischen "Methoden" einschätzen wollt, dann schaut beispielsweise nach
Tibet
! Wenn es dort über kurz oder lang knallt, werden wir ähnliche Diskussionen bzgl. der chinesischen EntwicklerInnen führen! Das finnische Mobilfunkunternehmen Jolla jedenfalls hat
dieses Exit Russia-Thema
schon hinter sich.
Insgesamt wundere ich mich über die Diskussion, denn es gab schon vor Trump II genug Gründe diesen amerikanischen Mist nicht zu benutzen - insbesondere diese Asozialen Hetzwerke und das nach wie vor ungelöste
"Schnüffelgate-Problem"
.
Eine Vielzahl an europäischen Alternativen verschiedener Produktgruppen listet
Go European
.
Bezüglich Social Media habe ich ja schon des öfteren das Fediverse/Mastodon thematisiert.
Der immer jenseits des Gartenzauns blickende Ralf Hersel dachte darüber nach, dass Trump z.B. auf die blöde Idee kommen könnte,
Europa von Windows abzuklemmen
. Selbst wenn wir Linuxer darüber nur milde lächeln, sind die gloablen Auswirkungen wohl leicht abstrahierbar. Dass dies nicht ganz unrealistisch ist, sieht man z.B. daran, dass jetzt sogar
Mozilla der Geldhahn zugedreht wird
.
Um sich hier unabhängig zu machen, müsste die EU den Kernel forken, alle Treiber selber entwickeln, die Hardware bauen (idealerweise als
RISC V-Architektur
), die Anwendungen selber programmieren und überhaupt im großen Maßstab OpenSource fördern ... ein völlig realitätsfernes Szenario. Und dies in dem Kontext, dass wir schon so ein Projekt wie
GAIA-X
nicht auf die Reihe kriegen.
Zumal bei dieser Garnitur der gerade gewählten "Microsoft-VersteherInnen" eh nichts Konstruktives in dieser Richtung zu erwarten ist - und sich
seit der Europawahl auch auf der EU-Ebene die Machtverhältnisse in Richtung Konservativ verlagert haben
. Somit müsste dann die oben angesprochene Diskussion zu den "vertrauenswürdigen" ProgrammiererInnen dann auch auf die europäischen PopulistInnen ausgedehnt werden!
Somit ist #UnplugTrump zwar eine schöne Kampagne, aber auch ein am Ende wohl kaum vollständig aufzulösender umfassender Arbeitsauftrag, der gegen widerständige, rückwärtige und beratungsresistente Kräfte durchgesetzt werden muss. Das Konzept der Globalisierung erlebt gerade starke Erschütterungen. Aber selbst wenn diese unterkomplexen "Kleinhirne mit Regierungsverantwortung" dies gerne so hätten, gilt dennoch: Das Rad der Geschichte lässt sich auch für PopulistInnen nicht zurückdrehen und wird am Ende mehr Schaden anrichten, als die jeweiligen Länder "great again" zu machen!